samedi 25 octobre 2008

Matthias Görne

Sie singen die "Müllerin" in Ihrer Aufnahme mit Eric Schneider ganz aufs Ende des Müllersburschen hin. Für das abschliessende Wiegenlied brauchen Sie 9 statt der üblichen 6 Minuten, weshalb so extreme Tempi?

Ich habe den Zyklus oft im Konzert gesungen, bevor ich ihn aufgenommen habe. Die Interpretation hat sich so allmählich herausgebildet. Am Ende wiegt der Bach den zum Tod Entschlossenen, er will ihm die Angst vor dem letzten Schritt nehmen. Eine unheimliche, verführerische Situation! Sie ist fast nur mit einer Reduktion des Tempos zu gestalten. Man kann mir natürlich vorwerfen, dass ich die Tempobezeichnung "mässig", die in dem Zyklus dreimal vorkommt, unterschiedlich behandle. Damit kann ich aber leben, weil die Lösung für mich schlüssig ist.
Ich habe einmal einen Wahnsinnsveriss bekommen. Der Kritiker hat dabei sehr genau zugehört. Er hat eine technische Sache bemängelt: weiche Konsonanten und leicht abgedunkelte Endvokale - zum Beispiel eine Tendenz zu einem eher dunklen 'kommäh', wo es doch eher hell 'kommee' heissen müsste. Diese leichte Verfärbung aber basiert bei mir auf einer grundsätzlichen sängerischen Überzeugung: Sie ermöglicht mir, ein weiches Legato zu singen. Für mich ist das Legato ein Transportmittel, zu dem es keine Alternative gibt - es sei denn, es wird ausdrücklich ein 'non legato' verlangt. Im Setzen von Kontrasten bin ich im Vergleich zu anderen sehr diskret. Mein Klangideal ist anders als das eines Dietrich Fischer-Dieskau.

Der ja ein extremer Konsonanten-Kontrastsetzer war.

Und genau das ist der Augenblick, wo ich in Konzerten aussteige, wo der Faden reisst. Das hat eine Form des Zelebrrrierrrens mit schnurrrrrrrrendem 'r' und überhaupt ex-ak-te-stem Spprrechen des 't'. Das ist wie ein Nadelstich. Es gibt Lieder, wo das nötig ist, etwa bei Balladen. Aber nehmen Sie zum Beispiel Schuberts zartes und zerbrechliches 'Erster Verlust'. Es ist emotional zerstörerisch, wenn ich mit einem 'Achch! Werr brringtt die schschönen Ttage, jene Ttage der erssttten Liebe...' dazwischenfunke.

Bei Ihnen kommt die Botschaft eher durch den Klang herüber als durch das Wort...

Ich muss mich ausdrücken, ich brauche nichts zu rezitieren, dieses den-Leuten-etwas-Erzählen geht nur bei bestimmten Stoffen. Was ist denn letzten Endes das Ziel eines Liederabends? Man will die Menschen erreichen und sie mit Gefühlen konfrontieren, die immer mehr zur Seltenheit gehören, die immer weniger zum Alltagsleben gehören. Ich nehme es eher übel, wenn ein Sänger mir zu erklären versucht, was der Text bedeutet. Aber es gibt auch Leute, die das nicht ertragen können. Interessanterweise gibt es - was die Meinung über meine Art zu singen betrifft - keine Mitte.

Entretien avec Kalle Burmester (1998) qu'on peut lire ici.

Pierrot

Pernelle - Pierrot